Das Ende von Windows Phone und Mobile
... wurde schon lange herbeigeredet. Erst jüngst durch die Kombination von der Ankündigung von "harten Entscheidungen" seitens Microsofts CEO Satya Nadella und der darauf folgenden erneuten Restrukturierung der Phone-Sparte mit 7900 abgebauten Stellen. Jetzt also ist es amtlich: Microsoft will das mobile Windows nicht mehr. Oder? Meine persönliche Einschätzung dazu:
Manchmal habe ich das Gefühl, das solche Verlautbarungen von Microsoft immer gerne genommen werden, um die eigenen Hoffnungen/Vermutungen hinein zu projizieren. In diesem Fall eben die, dass "Microsoft endlich aufgibt" und "erkannt hat, dass man gegen Android und das iPhone nicht anstinken kann". Da macht es Sinn, sich sowohl die Original-Texte als auch die bisherige Entwicklung anzuschauen:
Microsoft hat bei der Übernahme von Nokia eine Menge an Kosten produziert und entsprechende Einsparungen fest geplant (das hatte ich hier mal zusammengeschrieben). Teile dieser Einsparungen waren durch die Reduzierung von Stellen und Funktionen, die in beiden Unternehmen vorhanden waren, zu erreichen. Umgesetzt durch die erste Kümnfigungswelle 2014, die Nokia bereits arg geschröpft hatte. Allerdings auch Microsoft intern, das sollte man dabei nicht vergessen.
Was ist in der Zwischenzeit passiert? Microsoft hat - erst noch unter dem Nokia-Brand, dann direkt als Microsoft - eine Menge an Lumia-Modellen auf den Markt gebracht. Viele im Einsteigerbereich, aber eine solche Menge, dass man auch als fachlich Interessierter schon fast den Überblick verlieren musste. Ob das nun wirklich dem Marktanteil einen Schub versetzt hat, das mag man diskutieren, zumindest hat es dafür gesorgt, dass in vielen Märkten Windows Phones in die Hände derer kamen, die bisher doch eher im Android- oder gar iPhone-Lager zu verorten waren. Geschadet hat es sicherlich also nicht, wenn auch der Kostenaufwand dafür immens war.
Wer nun die Entwicklungen von Windows 10 und Windows 10 Mobile verfolgt hat, dem muss eigentlich schnell klar gewesen sein, dass dies nur eine Zwischenphase gewesen sein konnte, um bis zum finalen Zusammenwachsen der Plattformen Windows Phone "am Leben" zur erhalten und möglichst breit zu streuen. Besonders der Verzicht auf ein "Hero Device" in den letzten Monaten, also ein High End-Gerät, das für ein Alleinstellungsmerkmal sorgt, war ein deutlicher Hinweis darauf.
Und nun schreibt Satya Nadella: "We are moving from a strategy to grow a standalone phone business to a strategy to grow and create a vibrant Windows ecosystem including our first-party device family" (Wer bewegen und von einer Strategie des Wachstums eines separaten Windows Phone-Geschäfts zu einer Strategie der Schaffung und des Wachstums eines boomenden, schillernden Windows Ecosystems, das auch unsere eigene Gerätefamilie einschliesst"). Darin sind die Kernaussagen doch recht klar? EIN Windows Ecosystem (das Desktop und Phone enthält), statt Windows Phone separat zu halten (mit all den Zusatzkosten, die das mit sich bringt). Nichts anderes ist es, was mit Windows 10 Mobile entwickelt und spätestens mit der Namensgebung publik gemacht wurde. Auch das Thema der "first party device family" und der damit einher gehenden Limitierung der Geräteanzahl, ist nichts Neues: Mit dem Surface macht Microsoft das bereits seit Jahren: wenige Referenzgeräte, die das Betriebssystem und die Dienste in ein optimales Licht rücken.
Ein Einstellen der movilen Version von Windows macht überhaupt keinen Sinn. Microsoft will ja explizit ein Windows für alle Geräte haben, und wenn man sich die Nutzung von Smartphones, die Zugriffszahlen auf Webseiten durch Smartphones, die Nutzung von Services wie OneDrive, Skype etc. anschaut, dann ist das Smartphone als zusätzlicher Bildschirm und damit als Nutzungsszenario nicht wegzudenken.
"Based on the new plans, the future prospects for the Phone Hardware segment are below original expectations." (aus der Pressemitteilung). Klare Aussage: Das hatte man anders geplant, aber mit der neuen Planung werden die Erlöse aus dem Phone-Business natürlich geringer sein, als man es erwartet hatte. Und da setzt folgerichtig (logisch, nicht notwendigerweise sozial oder ethisch) die Kostenschere an, und die geht nun mal auf den Hauptfaktor Personalkosten.
Und wieder Satya Nadella: "In the near term, we will run a more effective phone portfolio, with better products and speed to market given the recently formed Windows and Devices Group. We plan to narrow our focus to three customer segments where we can make unique contributions and where we can differentiate through the combination of our hardware and software. We’ll bring business customers the best management, security and productivity experiences they need; value phone buyers the communications services they want; and Windows fans the flagship devices they’ll love." (Kurzfristig werden wir ein effektiveres Phone-Portfolio haben, mit besseren Produkten und schnellerem Zugang zum Markt [...] Wir planen, uns auf drei Kundensegmente zu konzentrieren, in denen wir einzigartige Beiträge leisten können und wo wir uns durch die Kombination von Hardware und Software abheben können. Wir werden den Firmenkunden die besten Management-, Sicherheits- und Produktivitätserfahrungen bringen, die sie brauchen; Käufern von Einsteigertelefonen die Kommunikationsdienste, die sie wollen; Windows Fans die Highend-Geräte, die sie lieben werden."
Einmal mehr: Firmenkunden, Käufer günstiger Geräte und Poweruser, die tolle Geräte wollen. Das ist nicht wirklich etwas Neues, nur grenzt Nadella diese Gruppen schärfer voneinander ab, was beim aktuellen Portfolio nicht zu erkennen war: Der Firmenanwender, eigentlich die klassische Klientel von Microsoft, lief bisher irgendwie so mit, und der "Windows-Fan" war unglücklich damit, dass er selbst mit dem hochwertigsten Windows Phone-Modell nur im Strom der Apple- und Android-Geräte mitschwamm. Das angekündigte "Cityman", so es mit den gerüchteweise bekannt gewordenen Spezifikationen kommt, ist ein solches "Flagship-Device", ein Gerät, das in der Funktionsvielfalt keine Entsprechung bei den anderen Plattformen hat.
Auch zur langfristigen Strategie hat Nadella etwas zu sagen: "In the longer term, Microsoft devices will spark innovation, create new categories and generate opportunity for the Windows ecosystem more broadly. Our reinvention will be centered on creating mobility of experiences across the entire device family including phones." (langfristig werden Microsoft Geräte vor Innovationen sprühen, neue Kategorien schaffen und breitere Möglichkeiten für das Windows Ecosystem schaffen. Unsere Neuausrichtung wird sich auf die Mobilität der Erfahrungen über die gesamte Gerätefamilie konzentrieren, Phones eingeschlossen.")
Wie viel deutlicher muss der Faktor "Phone" noch betont werden? Microsoft ist schon lange auf dem Weg, seine Dienste breitest möglich an den Mann zu bringen, auch - teilweise sogar stärker - auf Kunden und Betriebssysteme, die nicht Microsoft-affin sind. Das ist aber nur die eine Seite der Madaille. Die andere, und das hat meiner Meinung nach Satya Nadella deutlich gemacht, ist die Fokussierung auf Benutzererfahrung und Mobilität. Und so geht die Restrukturierung nicht gegen Windows auf Mobiltelefonen als Nutzungserfahrung, ganz im Gegenteil: Die Mobilität steht im Vordergrund. Wohl aber hat man bemerkt, dass der Surface-Weg besser und kosteneffizienter ist als der bisherige Lumia-Weg: Wenige Modelle, dafür aber zielgruppengerecht ausgerichtet.
Und eines hat die Surface-Familie auch gezeigt: Durch die Limitierung der Modelle schafft man keine Konkurrenz für die OEMs, die Windows mit ihren Geräten zusammen in den Markt bringen. Im Gegenteil: man kitzelt mehr aus ihnen heraus und provoziert sie, über die Meßlatte, die Microsoft gesetzt hat, hinauszuspringen. Heute ist es für einen Hersteller nahezu uninteressant, ein Windows Phone auf den Markt zu bringen, so omnipräsent wie die Lumias sind. In Zukunft dürften auch etabliertere Hersteller wie HTC, Huawai, Lenovo, vielleicht gar Samsung wieder auf das Windows-Schiff aufspringen.
Nun zurück zum menschlichen Faktor: Dass die ehemalige Nokia-Organisation weiter geschröpft werden wird, dass noch mehr Mitarbeiter in eine ungewisse Zukunft entlassen werden, das ist die traurige und schmutzige Kehrseite der Medaille. Ein Zeichen, dass auch Microsoft in der bitteren Phase der Neuzeit angekommen ist, in der Profit über alles geht. Schade darum, auch wenn man es einem Unternehmen, das sich in einem so hart umkämpften Markt unter solchen Rahmenbedingungen wie heute schwerlich vorwerfen kann.
Dieser Beitrag wurde geschrieben von Andreas Erle am Donnerstag, 9. Juli 2015 um 12:00 und eingeordnet unter Blog , Smartphones , Windows 10 , Windows 8 , Windows Mobile , Windows Phone .