Piraten am Anfang der Realität
Auch wenn meine lieben Freunde, der Herr Lose und der Herr Samaschke, mich dafür hassen werden: So langsam geht mir das Thema Piraten auf den Keks. Ich bin politisch interessiert, von den verkrusteten Strukturen der alteingesessenen Parteien angenervt und überlege mir auch, wie man die Situation verbessern kann. Sicherlich ist ein probates Mittel, eine Veränderung nicht innerhalb dieser Strukturen herbeizuführen, sondern komplett auf der grünen Wiese aufzusetzen und das zu definieren, das Zielzustand sein soll, mit unkonventionellen, ja, (demokratisch-) radikalen Mitteln.
Einen ganz kurzen Moment hatte ich durchaus die Hoffnung, dass der „Grünen-Effekt“ auch die Piraten erfassen würde, dass aus der jungen Partei eine ernstzunehmende, demokratische Alternative erwachsen könnte. Mehr und mehr aber weicht diese Hoffnung einem latenten Gefühl des „Ich kann es nicht mehr hören“. Das Polit-Kabarett derer mit den orangenen Flaggen nimmt Ausmaße an, die die hehren Grundziele überdecken, ja ad absurdum führen.
Wenn Demokratie, die die Grundlage für unsere Politik ist, in Shitstorms und Anfeindungen mündet, wenn „Liquid Feedback“ – eine durchaus gute Grundidee zur Entscheidungsfindung – zur Farce verkommt, weil die Ergebnisse der Diskussionen und Abstimmungen nun noch nicht zur einer Verbindlichkeit für Parteientscheidungen führen, dann frage ich mich, ob die Piraten tatsächlich eine Partei oder nicht viel mehr ein Sammelbecken Politikinteressierter sein wollen.
Wie kann ich eine Partei wählen, die zwar Grundziele kommuniziert, aber nicht in der Lage ist, diese konsequent umzusetzen, weil es keinen Fraktionszwang gibt und quasi jeder nach seinem Gusto entscheiden kann? Wenn ich eine politische Wundertüte wählen möchte, dann kann ich auch Die Linke wählen… die haben zumindest einen gleichbleibenden Unterhaltungswert.
Wenn man Marina Weisband, die nervenschwache scheidende Geschäftsführerin der Piraten, schon als eloquenten Hoffnungsschimmer der Politiklandschaft empfindet, dann liegt das nicht – oder nur zu einem geringen Teil – an ihrer eigenen Wirkung, sondern an den Nahles und Pofallas dieser Welt…
Nun sind sie also angekommen in der harten Realität: Fraktionszwang, ein Programm muss her, der Anspruch der Schwarmintelligenz lässt sich in der Politik nicht anwenden, schnelle Entscheidungen und klare Positionierungen sind gefordert. Das Ergebnis ist ein Shitstorm, eine Kakophonie der widersprüchlichen Meinungen und Ansprüche. Lasst die Piraten noch ein paar Jahre spielen und spielerisch reifen, dann können wir weiterreden…
Allerdings stelle ich eines fest: In diesen Wochen, in denen im Vorfeld der Landtagswahl in NRW wieder Wahlplakate allüberall hängen, frage ich mich: Liegt es an den fast ausnahmslos jungen Piraten, oder sind die etablierten Spitzenkandidaten wirklich alle so alt?!
Dieser Beitrag wurde geschrieben von Andreas Erle am Sonntag, 29. April 2012 um 15:00 und eingeordnet unter Blog , Spitze Zunge .