Website geentert – Ahoi, Piraten!
Fast möchte man Herbert Grönemeyer aus dem CD-Regal holen und lauthals „Kinder an die Macht“ mitsingen… so süß und frisch und unbedarft mutet es an, dass mit der Piratenpartei die neuen Grünen ins Berliner Abgeordnetenhaus eingezogen sind. Wehmütig erinnert man sich an das zischend-scharfe Einatmen des Establishments, als die ersten Kinder im Bundestag gestillt wurden und diese „Öko-Chaoten“ der Grünen sich einfach nicht in das Bild des distinguierten Abgeordneten einfügen wollten.
Am Abend der Berlin-Wahl konnte man deutlich die Überraschung sehen, die den armen Bald-Landtagsmitgliedern ins Gesicht gesehen stand: „Wir? Gewählt? Echt jetzt?!“. Erfrischend, und das ist nicht mal zynisch gemeint. Die verkrusteten Strukturen der etablierten Parteien brauchen scheinbar turnusmäßig einen Wachrüttler, der sie auf den Boden der Tatsachen herunterholt, und die Piratenpartei – abstruse Vorstellungen zur Novellierung des Urheberrechtes hin oder her – hat ja durchaus Ansätze, über die man nachdenken kann.
Nun scheint es in der heutigen Zeit aber Standard zu sein, dass die Sympathen des Tages in unglaublicher Geschwindigkeit auf den harten Boden der Realität gezogen werden, Kielholen ohne Wasser quasi. Und so wurden die Piraten genau an der Stelle angegriffen, die den Kern des Selbstverständnisses trifft: kriminelle Fremd-Links auf dem Piratenpad (BTW: Urheberrecht… schläft ja jemand bei Apple?! :-)), der offenen Kommunikationsplattform der Piraten.
Schnell geraten die politischen Freibeuter ins Schwimmen: Die Freiheit im Internet ist nun mal satzungsmäßig unantastbar, undenkbar hier Ketten anzulegen und – wie die spießigen anderen Parteien, Organisationen und Firmen es machen – zumindest eine Grundkontrolle zu ermöglichen. „Vollständige Transparenz und Offenheit“ – schöne Worte… aber gegen den, der Böses will (und die Zahl der Neider ist nun mal nach einem Überraschungserfolg wie der Wahl in Berlin raketenartig angestiegen) wirkt man damit kaum etwas aus.
Der Tauss wird´s – bösen Zungen zum Trotz - wohl nicht gewesen sein, das kann man wohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit annehmen. Wer aber dann? Irgendwie macht es mir Angst, dass immer genau zum richtigen Zeitpunkt unliebsame Politkonkurrenz in Skandale verwickelt wird und danach schnell mundtot in der Senke des Vergessens versickert...
Deshalb: Segel setzen in Richtung Realismus… dann kann es durchaus was werden, die angeschrappten Koggen der etablierten Seefahrer zu entern…
Dieser Beitrag wurde geschrieben von Andreas Erle am Dienstag, 29. November 2011 um 12:00 und eingeordnet unter Blog , Spitze Zunge .