Sperrt dem Spiegel die Konten!
Es gibt wenige Themen, die vordergründig so nerven wie die aktuelle Debatte um WikiLeaks, die Reaktionen von Mastercard, Paypal und anderen. Vordergründig deshalb, weil der Beigeschmack langsam bitter wird. Ich hab’s früher schon mal geschrieben: Mich interessieren die Berichte, die mit megamedialem Aufwand lanciert wurden, nicht die sprichwörtliche Bohne.
Was die USA über unsere Politiker denken (und hier kann man nur die Menschenkenntnis bewundern!), welche Fehlentscheidungen im Rahmen eines Krieges getroffen werden (wer noch in keinem Krieg gekämpft hat, und das dürfte Gott sei Dank die meisten von uns treffen, kann hier gar nicht mitreden und schon gar nicht den ersten Stein schmeissen), wen´s interessiert, bitte.
Man muss aber doch kein Verwörungsfanatiker sein, um bei der unisono vorgetragenen Welle an Schritten gegen WikiLeaks aufmerksam zu werden. Erst die in Deutschland als „Kachelmann-Prozess“ bekannt gewordene Posse gegen Assange, die heute in Schweden spielt, dann die ganzen großen Dienstleister, die in treuem vorauseilenden Gehorsam dem großen Bruder über den großen Teich zuarbeiten und versuchen, WikiLeaks zu schaden, wo es geht. Sei es die Erreichbarkeit der Seite zu behindern, die Konten und damit die finanziellen Mittel einzufrieren, und was hinter den Kulissen läuft, das weiß niemand.
Was bitte kann man WikiLeaks vorwerfen? Spionage? Gefährdung der nationalen Sicherheit? Wohl kaum. WikiLeaks nimmt die „gestohlenen“ Dokumente entgegen und veröffentlicht sie. Das rechtfertigt die Hetzjagd auf eine Einzelperson bzw. eine Organisation?
Dann aber bitte doch konsequent: Die WikiLeaks Hauspostille, der Spiegel, macht doch nichts anderes: vertrauliche Dokumente entgegennehmen und der breiten Öffentlichkeit zum Fraß vorwerfen, und dann auf journalistisch zweifelhaftem Niveau den Finger in jede einzelne kleine Wunde legen. Was bitte unterscheidet dies von dem, was WikiLeaks macht? Ach richtig: WikiLeaks macht es der Wahrheit wegen, der Spiegel hat eher Kommerz und Auflage im Blick. Der Schaden aber ist der selbe, nein, noch schlimmer: Der Spiegel und die anderen internationalen Zeitungen, die sich zur „Armee der Aufklärer“ zusammengeschlossen haben potenzieren die Reichweite der Informationen noch, indem sie eine Plattform zur Verbreitung bieten.
Wenn dies unter Pressefreiheit fällt (was meine Meinung ist), dann das, was WikiLeaks tut ebenso. Und das Verhalten derjenigen, die WikiLeaks nun opportunistisch zu schaden versuchen, ist ein Angriff auf eben jene Pressefreiheit, die eines der höchsten Güter einer freiheitlichen Demokratie ist.
Mir ist Angst und Bange....
Dieser Beitrag wurde geschrieben von Andreas Erle am Mittwoch, 8. Dezember 2010 um 18:26 und eingeordnet unter Blog , Spitze Zunge .