Eure Pseudobetroffenheit ko..t mich an!
Ich bin nicht wirklich ein Freund der Sensationspresse, das habe ich schon mehrfach kommuniziert. Bedenklich aber finde ich es, wenn auch die vermeintlich "professionelle" Presse sich in die Untiefen des sensationshungrigen, gefühlsduseligen und auflagensteigernden Betroffenheitsgeseier begibt.
Ein Selbstmord ist immer etwas Schreckliches. Für die Familie, die einen geliebten Menschen verliert, für die unfreiwillig Beteiligten wie Polizei, Notarzt und - im speziellen Fall - auch den Lokführer, der mit seinem Arbeitsgerät unschuldig und ohne Chance, es zu verhindern, den Tod verursacht hat. Und natürlich nicht zuletzt für den Betroffenen, der offensichtlich so verzweifelt war, dass er alles, aber auch alles wegwerfen wollte. Ohne jedwede Diskussion für alle eine Tragödie.
Aber bitte: In diesem Fall, der die Nation bewegt (und den ich nicht zitiere, denn durch Google und Co. mag ich nicht daran durch Clicks "verdienen") nimmt das Ganze eine Dimension an, die mir den Mageninhalt umkehrt. Nationaltorhüter, meinethalben dadurch eine Person öffentlichen Interesses. Aber dafür Sondersendungen, Bilderserien, Expertenmeinungen, Zitate von so genannten und selbsternannten "Freunden"? Der schnelle Klickerfolg, das medienträchtige Aufnehmen eines Selbstmordes, der einer unter vielen ist... ist das Opfer dadurch ein Held, eine Person der Zeitgeschichte geworden? Nein... nur einer von viel zu vielen Menschen, die eine Krankheit haben, die für diese Gesellschaft symptomatisch ist: Depressionen.
Statt sich Gedanken zu machen, dass gerade die Oberflächlichkeit der Gesellschaft, die sich in der Thematisierung der Medien manifestiert, dafür verantwortlich ist, dass Menschen überhaupt in ein solches Loch fallen: die Medienwelt denkt nur daran, wie man ein solches Ereignis ausschlachten kann. Und wenn ich dann die Bilderserie bei SPON sehe, in der sich eine Zoomaufnahme der Frau des Opfers findet, die mit pseudobetroffenem Gesülze ala "Die Frau des Opfers kämpft mit den Tränen" untertitelt ist und nicht vor echtem Mitleid, sondern vor purer Euphorie ob des unbezahlbaren Motivs nur so strotzt, dann, sorry für den Ausdruck, möchte ich kotzen.
Dieser Beitrag wurde geschrieben von Andreas Erle am Sonntag, 15. November 2009 um 19:52 und eingeordnet unter Blog , Spitze Zunge .