Big Brother 8 gefaked? Ach, nee...
Liebe Endemol-Anwälte: für den gesamten Artikel gilt: Er enthält meine Meinung. L a a a n g s a m: Meine (subjektiv) Meinung (subjektiv). Alles klar? :-D
Vor vielen Jahren waren sich alle darüber einig, dass im deutschen Fernsehen Grenzen gelten. Der gute Geschmack, die Menschenwürde, die Moral, all das war für alle ein hohes Gut, dass es zu bewahren galt. Für alle? Nein, ein trutziges kleines Unternehmen (das Dorf kam erst in der sechsten Staffel) trat an, all dem zu trotzen und ein "Reality-TV-Format" namens Big Brother zu erfinden. Echte Menschen ziehen in eine Fernseh-WG und lassen sich dort 24 Stunden am Tag beobachten, filmen und vorführen.
Wer jetzt bei 24 Stunden an "24" denkt: Der Spannungsbogen eines Tages im Big Brother-Haus ist von einem Tag im Leben des Jack Bauer so weit entfernt wie Andrea Ypsilanti von der Linken. Äääääh... das muss ich aktuell wohl relativieren: Wie der Musikantenstadel von einem Black-Metal-Konzert. :-)
Wers noch nicht gesehen hat: Stellt Euch ein Aquarium vor... nur wenn man Futter wegnimmt und neben einigen Welsen und Guppies auch mal einen Raubfisch reinwirft, dann gibt´s Action. Das hat auch Endemol gemerkt und sich bald für verschiedene Bereiche im Haus entschieden. Mal warens zwei (arm und reich), mal drei, dann mal ein Dorf mit Firmen, kurz: man versuchte, das Ganze interessant zu gestalten... doch über die Staffeln war der Erfolg in Form der Einschaltquoten im kontinuierlichen Abstieg. Nun haben wir 2008, und seit Anfang Januar läuft Staffel 8.
Natürlich schau ich mir sowas nicht an. Neeeeee! Aber ich lasse mir berichten, man muss ja schliesslich bei gesellschaftlich diskutierten Themen zumindest mitreden können! :-D
Nun passiert das selbe wie in jeder Staffel: Am Anfang sind die Leute heiss drauf und schauen sich die Live-Sendungen und Tageszusammenfassungen an, einige ganz unerschrockene zahlen gar EUR 15,- im Monat, um 24 Stunden live ins Haus schauen zu können. Woche für Woche aber stellen mehr und mehr GafferZuschauer fest, dass man für Fäkalsprache nur auf den Bahnhofsvorplatz gehen und für Langeweile nur in den Spiegel schauen muss (und letzteren kann man auf ersterem kaufen, passt also). Also muss das Aquarium schnell gerührt werden und ein paar Zubehörteile mehr hineingepackt werden, und wie fast immer denkt man zielgruppengerecht als erstes "Sex sells".
In dieser Staffel das Traumpaar: Naddel, runderneuerte Zahnarzthelferin aus Köthen in Anhalt mit diversen persönlichen Problemen, Macken und Psychosen und Hassan, ungelernter Maschinenführer mit dem Charme und dem Aussehen eines Monchichis.
So schnell wird ein kleines, ostdeutsches Kaff zur Weltstadt: Mittlerweile kennt fast jeder Köthen. Und Google honoriert die StellungBedeutung von Naddel dafür: 134.000 Treffer bei Köthen, knappe 10 Prozent davon haben "Naddel" im Text. Und da erscheint sie nicht mal unter "Söhne und Töchter der Stadt" :-D
Nachdem die Staffel in den vergangenen Wochen zum Softporno verkommt, Madame die karge Kost des armen Bereiches durch eiweisshaltige "Spenden" ihres Liebeleins ergänzt, gleichzeitig aber zu Tode betrübt ist, weil der FinancierFreund draussen medienwirksam mit einem Brief Schluss macht, Auto und Handy bei ebay verkauft, kocht die Volksseele. Raus muss das Luder! Sofort! ... und endlich ergibt sich durch die internen Nominierungen die Möglichkeit dazu. Hochrechnungen aus den verschiedenen Foren und deren Umfragen ergeben ein klares Bild: Sie wird gehen. Und dann kommt gestern die entscheidende Live-Sendung, wo die tatsächlichen Anrufe (EUR 0,50 das Stück) ausgezählt werden.
Wen wunderts? Sie geht nicht. Spulen wir zurück: die Volksseele kocht. "Betrug!", "Schiebung!", "Ver%"§%ung!" sind noch die gemässigten Kommentare.
Fakt ist:
- Es ist statistisch unwahrscheinlich (ein Statistiker sagt nie "unmöglich", auch wenn er´s meint :-) ), dass - wie gestern geschehen - ein Telefonvoting bereits eine Woche läuft, und sich die Prozentzahlen dann innerhalb einer Stunde um mehrere Prozentpunkte erst in die eine, dann in die andere Richtung ändern.
- Internetforen sind keine absolute Informationsquelle, wenn sie, wie in diesem Fall, nicht repräsentativ sind: Ein Großteil der Mitglieder sieht entweder die "unzensierte" Berichterstattung auf Premiere oder aber liest die Berichte derer, die sie sehen. Wenn in der "allgemein verfügbaren" Tageszusammenfassung die Welt zielgruppenkonform gefärbt dargestellt wird, hat ein guter Teil der Wähler eine andere Informationsbasis und wird daraus andere Entscheidungen ableiten... und wenn deren Informationsbasis so gesteuert ist wie in diesem Fall, dann wird diese Entscheidung auch so ausfallen, wie der Berichterstatter es plant. Das hat Frau Bruni auch schon erkannt... :-D
- Wer ernsthaft glaubt, dass ein Telefonvoting ein ehrliches Ergebnis bringt, der glaubt auch an demokratische Wahlen in Russland.
Ich lehn mich jetzt zurück, nehme meinen George Orwell zur Hand und geniesse "Big Brother"... :-D
Dieser Beitrag wurde geschrieben von Andreas Erle am Dienstag, 26. Februar 2008 um 12:23 und eingeordnet unter Blog , Spitze Zunge .