Sony Ericsson XPERIA X2
Geschrieben von Andreas Erle (25.06.2010 00:05 CET)
Totgesagte leben länger... so könnte man die Leidensgeschichte des zweiten Windows Mobile-Gerätes von Sony Ericsson beschreiben. Schon der Vorgänger, das X1, war auf Grund einer Vielzahl von Verzögerungen des Marktstarts nur knapp einer Pleite entronnen. Da wunderte es nicht, wenn der – damals schon verschobene – Veröffentlichungstermin des XPERIA X2 von November 2009 immer weiter nach hinten wanderte. In Frankreich schließlich war das Gerät dann im April zu bekommen, die Kritik der wenigen Unerschrockenen allerdings war harsch: langsam, instabil, nicht zu benutzen und vor allem: Das erste ROM-Update verschlimmerte die Lage noch einmal deutlich. Ich gebe gerne zu: Ich hatte das Gerät abgeschrieben. Um so überraschter allerdings war ich, als ich plötzlich bei verschiedenen Online-Händlern sowohl die silberne als auch sie schwarze Version lieferbar fand, noch dazu zu einem Preis deutlich unter EUR 400,-. Dies sind die Momente, in denen zwei Herzen in meiner Brust pochen: Preis, Termin und Vorschusskritik wollten mich davon abhalten, das Gerät zu kaufen, die Neugier allerdings behielt dann doch die Oberhand.
Eine Woche exklusiv mit dem XPERIA X2 liegt hinter mir, und ich bin erleichtert und überrascht, dass deutlich mehr Licht als Schatten vorkommt.
Erster wichtiger Punkt: Das Gerät wird bereits mit dem aktuellen ROM ausgeliefert, und das heisst vor allem: Das ganz aktuelle Build von Windows Mobile 6.5.3 in einer nur wenig „versteckten“ Version (bei HTC-Geräten kann man mittlereweile auf den ersten Blick nicht mal mehr unterscheiden, ob es ein Windows Phone oder ein Android-Gerät ist). Dazu gehört die nach unten gezogene Start-Schaltfläche, deutlich grössere Buttons und Auswahlfelder etc. In diesem Zusammenhang macht es da wenig, dass Sony Ericsson der Oberfläche nur sparsam einen eigenen Stempel aufgedrückt hat. Das X2 ist ein Windows Mobile-Gerät der neueren Generation, dem man es ansieht... und das ist gut so.
Im Vergleich zum Vorgänger hat man einen der großen Kritikpunkte beseitigt: Das Display ist nicht mehr von einem hochstehenden Metallrahmen umfasst, der die Daumenbedienung massiv behinderte. Beim X2 ist das Display zwar auch von einem Metall-Rahmen eingefasst, dieser schliesst aber glatt mit der Displayoberfläche ab. Dadurch können auch Teile des Bildschirms, die am Rand liegen, problemlos mit den Fingern gedrückt werden Geblieben ist die Mischung aus Wertigkeit und Funktionalität: Der Akkudeckel und die Seiten des Gerätes sind aus gebürstetem Aluminium. Die Tastatur, die durch Hochschieben des Displays im Querformat sichtbar wird, wiederum immer noch aus Plastik. Oben und unten am Gerät findet sich ein Gitter, hinter dem sich auf der Oberseite unsichtbar eine LED verbirgt, die über neue Nachrichten/Anrufe informiert, sonst aber aus ist. Die Gesamtform des Gerätes, die Haptik und die kompakten Maße 110.0 x 54.0 x 16.0 mm wissen zu gefallen.
Auf der Vorderseite befinden sich unter dem Display vier Folientasten für Rufannahme und –beendigung, OK und ein Touchpad, das bei Wischen mit dem Finger die Funktion eines Steuerkreuzes übernimmt. Man mag nun zu Folientasten stehen wie man will: einen Vorteil aber hat die Wahl ganz ohne Frage: die komplette Front des Gerätes ist glatt und flach.
Auf der Rückseite befindet sich die Linse der 8.1 Megapixel-Kamera, daneben die Foto-LED, die zum Aufhellen von Objekten in der Nähe des Gerätes dient, aber natürlich kein vollwertiger Blitz ist. Die Erfahrung mit integrierten Digitalkameras bei mobilen Geräten ist nun wirklich nicht die beste, und so kann die Erhöhung der Auflösung nicht per se als Garant für bessere Bilder verstanden werden. Auch hier aber eine Überraschung: Bei Tageslicht und ordentlicher Helligkeit schafft es die Kamera, detailscharfe und klare Bilder zu schießen, die durchaus mit einer durchschnittlichen Kompaktkamera mithalten können. Die 8.1 Megapixel werden aus 3264*2448 Bildpunkten zusammengesetzt, genug Bildmaterial also, um später noch wichtige Details vergrößern zu können.
Sony Ericsson hat mit der Anpassung der Oberfläche von Windows Mobile 6.5 einen guten Mittelweg gefunden: Die Themen (wahlweise in schwarz oder silber) passen sich hervorragend an das Geräteäußere an, und die Veränderungen, die Sony Ericsson vorgenommen hat, passen sich darin ein.
Wie beim X1 finden wieder die so genannten „Panels“ Verwendung: Diese sind funktionale Homescreens, zwischen denen durch ein Doppeltippen auf die untere, linke Taste gewechselt werden kann. Vom normalen Windows Mobile 6.5-Homescreen über eine Google-Suchseite bis hin zu einer an Spb Mobile Shell angelehnten (und auch von Spb gelieferten) konfigurierbaren Oberfläche ist alles dabei.
Neu hingegen ist „Tilewave“, eine wunderschön animierte Oberfläche, die aus Puzzle-Teilen besteht. Das ganze Puzzle bewegt sich in Wellenform, dreht sich mal leicht links, mal leicht rechts, und in den einzelnen Puzzle-Teilen befinden sich dann Informationen wie Netzbetreiber, neue Nachrichten, Termine, etc. Tippt man auf eines der Puzzleteile, dann öffnet sich der entsprechende Bildschirm.
Was rein visuell faszinierend ist, ist in der Praxis nur halb durchdacht: Die Animationen sind flüssig, die dahinterliegenden modifizierten Anwendungen (beispielsweise beim Antippen der neuen Nachrichten öffnet sich ein angepasster Posteingang) sind langsam, teilweise mit unnötig vielen Klicks zu bedienen etc. Genau hierher kommt wahrscheinlich auch die Kritik, die man über das X2 liest: Es sei langsam und träge. Ziehen wir die übliche „Windows Mobile ist langsam“-Kritik ab und dazu noch die Auswirkungen von Tilewave, dann ist dies nicht wirklich nachvollziehbar, dazu aber später mehr.
Schöne Idee: Die Panels können zeitgesteuert angewählt werden. Anhand eines Zeitstrahls zieht man dazu das entsprechende Panel an die gewünschte Startzeit, und schon wird es automatisch aktiviert. So kann man im Büro ein eher klassisches Informationspanel (wie Spb Mobile Shell) haben, ist man abends unterwegs, dann den Freizeitlook (mit den selben Informationen, aber ganz anderer Darstellung) verwenden, ohne manuell eingreifen zu müssen.
Ein wenig sonderbar mutet die Wahl des Prozessors an: Das XPERIA X2 verwendet einen Qualcomm MSM7200A mit eher durchschnittlichen 528 MHz Taktrate, in Zeiten, in denen ein 1GHz Snapdragon-Prozessor schon seinen Nachfolger sucht, kein echtes Argument für ein neues Gerät. In der Praxis muss man unterscheiden: Wer das X2 als Terminkalender, Kontaktbuch, Messaging- und Surfmaschine nutzt, der wird nicht wirklich merken, dass hier einer der eher langsameren Prozessoren am Werk ist. Multimediaanwendungen laufen leidlich flüssig, für den Film zwischendurch reicht es. Eine Multimediamaschine ist das X2 aber wahrlich nicht. In meiner Anwendung aber kann ich nicht sagen, dass ich das X2 als langsam empfinde.
Sicherlich eine der Schwächen des Gerätes im Vergleich zur Konkurrenz ist das Display. Nicht wegen seiner Qualität, denn auch wenn Sony Ericsson kein AMOLED-Display verwendet, es ist scharf, kontrastreich und drinnen wie draußen gut lesbar. Nein, der mittlerweile unübliche Verzicht auf ein kapazitives Display ist es, der die Bedienung – zumindest für denjenigen, der schon mal mit einem gearbeitet hat. Was heißt dies in der Praxis? Nicht viel mehr als das Erfordernis, fester auf das Display zu drücken, um durch den Bildschirm zu rollen oder ein Programm zu starten. Man gewöhnt sich daran, aber die ersten Momente ist das Bediengefühl ungewohnt und schnell ist ein Programm gestartet, das man eigentlich gar nicht wollte. Hier scheint die Tatsache zuzuschlagen, dass die Hardware des X2 eigentlich für einen Marktstart Ende 2009 vorgesehen war. Und irgendwie mutet es antiquiert an, in einem Windows Mobile-Gerät wieder einen Stift vorzufinden... :-)
Für Office-Anwender interessant: dem X2 liegt ein Kabel bei, mit dem das Gerät direkt mit einem Monitor, Beamer oder Fernseher mit Komponentenanschluss verbunden werden kann. Was bei anderen Geräten kostenpflichtiges Zubehör ist, gehört hier zum Standard. Kabel ins Gerät, Kabel ans Display, schon kann die Unternehmenspräsentation oder die Urlaubsbilder einem größeren Auditorium präsentiert werden.
Die ausschiebbare Tastatur ist auf Grund der Tastengrösse und des Druckpunktes durchaus zum Schreiben auch von längeren Texten geeignet. Wie immer gilt: Eine Gewöhnungsphase muss man einkalkulieren, aber das ist bei jeder mobilen Tastatur der Fall und hier nicht besser oder schlechter als beispielsweise beim HTC Touch Pro2.
Fazit:
Beim Kauf des Sony Ericsson XPERIA X2 sollte man sich sehr genau darüber klar sein, was man mit dem Gerät machen will. Multimedia-Anwender, die Videos anschauen, komplexe Spiele spielen wollen sollten sich anders orientieren. Wer das Gerät aber hauptsächlich als PDA nutzt, Nachrichten schreiben will, Informationen im Internet nachsehen will etc., der bekommt mit dem X2 ein sowohl formschönes als auch funktionales Gerät, das beispielsweise einen HTC Touch Pro2 ersetzen kann.
Hier ist vor allem noch mal der Preis hervorzuheben: Für zum Testzeitpunkt unter 360 Euro bekommt man sonst nur deutlich schlechter ausgestattete Geräte.