Palm Treo Pro
Geschrieben von Andreas Erle (09.10.2008 00:00 CET)
Es war ein denkwürdiger Tag, als der lange grösste Konkurrent und vermeintlich uneinholbare Marktführer für mobile Geräte Palm mit dem Treo 750/750V das allererste Gerät mit Windows Mobile als Betriebssystem auf den Markt brachte. Auch wenn die internen Querelen, die schliesslich zur Trennung der Hard- und der Softwaresparte führten, sicherlich ihren Teil dazu beigetragen hatten, Palm war lange Zeit vermeintlich die Karotte, die der Esel Microsoft so begehrlich fand, dass dieser Schritt einen Meilenstein darstellte. Kurz danach aber die Ernüchterung: Der Treo 500, das erste Smartphone (heute: Windows Mobile Standard), war schon deutlich "gewöhnlicher". Die vielen kleinen Tweaks und Spielereien, die die Bedienung des Treo 750 so besonders gemacht hatten, fehlten fast völlig, und damit war das Gerät mehr oder minder entsprechend.
Der erste Blick ernüchtert: Der Palm Treo Pro hebt sich nicht von der Masse der Windows Mobile PDA´s mit Tastatur und der Blackberries dieser Welt ab. Punkt. Einzig der "palm"-Schriftzug in der Mitte des Steuerkreuzes und der geprägte Druck auch dem Akkudeckel deuten an, dass es sich hier um ein eigentlich "unübliches" Gerät handelt.
Diese "nicht ihm und nicht ihr"-Situation dürfte den Treo Pro vor nicht unerhebliche Probleme stellen: Der Windows Mobile-Enthusiast, verwöhnt durch immer neue Features, wird auf diesen ersten blick nicht wirklich auf das Gerät anspringen. Dem Palm Treo-Fan der ersten Stunden, der sich an den vermeintlich sauren Apfel "Windows Mobile" gewöhnt hat, geht der Charakter eines Treo verloren. Da nützt die schicke Verpackung herzlich wenig...
Seis drum: Palm hat ganz zu Recht versucht, aus dem in die Jahre gekommenen Design eines Treo einen neuen Look zu generieren, der irgendwo zwischen Palm und dem tatsächlichen Hersteller der Hardware des Pro (HTC) steht. Und lässt man die Sicht des Dauer-Testenden und damit vielleicht auch ein wenig Design-Müden mal außen vor, dann ist das Design des Treo Pro durchaus gefällig. Man kann unterschiedlicher Meinung über den Einsatz des hochglänzenden Klavierlacks sein, jedweder Tatortermittler könnte darauf die Fingerabdrücke ohne weitere technische Hilfsmittel abfotografieren, aber der Eindruck ist edel. Und nicht nur visuell, sondern auch haptisch: Ich habe seit langer Zeit kein Gerät mehr gesehen, dass so "aus einem Guss" erscheint wie der Palm Treo Pro: Da wackelt und knarzt nichts, der Akkudeckel muss fast schon mit übermäßiger Kraft aufgeschoben werden. Die Tasten sind straff, nicht versehentlich, aber sicher absichtlich bedienbar. Zusätzlich positiv: Das Display ist nicht, wie bei fast allen anderen Touchscreen-Geräten, in das Gehäuse eingelassen, sondern liegt direkt hinter der Frontplatte. Es findet sich somit kein Spalt zwischen Display und Gehäuse, damit kann kein Staub eindringen, und trotz fehlender entsprechender Softwareanpassungen ist der Treo Pro mit dem Daumen bedienbar.
Trotz UMTS/HSDPA fehlt dem Treo Pro (wie schon seinem Vorgänger) die Frontkamera für Videotelefonie. Auch hier: man mag unterschiedlicher Meinung sein: Ich selbst habe dieses Feature exakt einmal mit meiner Frau ausprobiert... aber wirklich praxisnah finde ich es nicht, und so fehlt mir diese zweite Kamera auch nicht allzu sehr. Auf der anderen Seite: einen echten Grund dafür kann ich mir auch nicht denken, es gibt Geräte der Bauform (teilweise noch kleiner), bei denen Platz für diese Kamera gefunden wurde.
Im Inneren des Treo Pro arbeitet ein Qualcomm MSM7201A-Prozessor mir 400 MHz. Und hier kommt das erste Mal eine der Stärken von Palm zum Tragen: schnell ist er. Wer sich ein wenig länger mit dem Thema PDAs beschäftigt, der weiß, dass die Prozessorgeschwindigkeit nur ein Teil der Faktoren ist, die für die Performance eines Windows Mobile-Gerätes ausschlaggebend ist. Viele hoch getaktete Geräte sind so schnarchlangsam, dass man sich fragt, ob überhaupt ein Prozessor verbaut ist, der seinen Namen verdient. Ganz anders der Treo Pro: die Leistung kommt wirklich auf die virtuelle Strasse, das Gerät ist schnell und öffnet Menüs und Anwendungen ohne Verzögerungen. So "unwichtig" das klingt, es ist ein großer Schritt im Hinblick auf Bediengefühl.
Das Display selbst ist mit einer Auflösung von 320*320 ein wenig unüblich für Windows Mobile-Geräte (aber typisch für Palm), und in der Summe bemerkt der Benutzer erst einmal relativ wenig davon: Windows Mobile stellt die selben Informationen mit mehr Pixeln (und damit schärfer) dar, die Erwartung, wie bei einem PC mehr an Daten zu sehen, ist also hinfällig. Erst wenn Programme explizit die Auflösung nutzen bzw. man in den Systemeinstellungen die Schriftgröße herunterregelt wird diese genutzt. Es mag nur ein subjektiver Eindruck sein, aber im Vergleich mit diversen anderen PDAs bin ich vom Display des Treo Pro enttäuscht: Im Standard ist Cleartype eingeschaltet, was eigentlich durch Kantenglättung für einbesseres Bild sorgen sollte und gerade durch die Tatsache, dass mehr Pixel zur Verfügung stehen sollten, eine sichtbare Verbesserung der Anzeigequalität mit sich bringen sollte. In der Praxis aber führt dies eher dazu, dass die Anzeige unscharf wird. Ein Ausschalten von Cleartype löst dieses Problem, dann bewegt sich die Schärfe des Displays im Durchschnitt. Positiv allerdings: im grellen Sonnenschein ist es immer noch hervorragend lesbar.
Unterschiedliche Aussagen gibt es über den Akku. In meiner Standardanwendung (Bluetooth an, moderates Telefonieren, starke PDA-Nutzung und Dauer-Datenverbindung mit aktiviertem Push zu meinem Mailserver) hält der Akku über zwei Tage, was ein sehr gutes Ergebnis für ein Windows Mobile-Gerät ist.
Allerdings habe ich schon andere Berichte gelesen, die "gerade mal einen Tag" in der selben Anwendung beklagen...
Die Oberfläche des Palm Teo Pro ist ein nahezu unverändertes Windows Mobile 6.1. Was kein Kritikpunkt sein darf, denn andere PDAs (die HTC-Touch-Serie mal ausgeschlossen) haben dies schließlich auch. Wer allerdings den Pro als Nachfolger des 750/750v sieht, der sollte sich dessen zumindest bewusst sein: Dort nämlich hatte Palm ganz massive Verbesserungen der Oberfläche eingebaut, die die Bedienung vereinfachten. Beim Treo Pro muss man eben diese "Erwartungshaltung" anpassen.
Einige Kritik hat die Tastatur des Pro einstecken müssen, und genau die kann ich nicht nachvollziehen. Ich bin Vieltipper, weil meine PDAs sehr stark als Messaging-Geräte benutzt werden. Emails beantworten, kurze Notizen schreiben, die eine oder andere SMS beantworten, all das wird durch den Einsatz einer integrierten Tastatur signifikant erleichtert. Auf den ersten Blick sieht die des Treo Pro zu flach aus, um wirklich ein schnelles Tippen zu erlauben, in der Praxis aber funktioniert dies erstaunlich gut: Die Tasten sind "spürbar", auch wenn Sie minimal höher als der Rest des Gerätes sind, und damit hat man schnell das richtige Tippgefühl und eben keine Verunsicherung, ob man nun die richtige Taste getroffen hat oder nicht. Die Umlaute finden sich nicht als separate Tasten, können aber durch Drücken der SYM-Taste und des Ausgangsbuchstabens (z.B. SYM+A für Ä) schnell erreicht werden.
Das integrierte (A-)GPS findet die Satelliten in annehmbarer Geschwindigkeit, damit ist das vorinstallierte Google Maps schnell in der Lage, die aktuelle Position darzustellen. Eine "echte" Navigationssoftware liefert Palm allerdings nicht mit, auch wenn man dies im ersten Moment denken könnte: Webraska Navigation ist eine reine Offboard-Lösung, die vorinstalliert in einer Testversion auf dem Gerät ist. Allerdings habe ich es noch nicht geschafft, damit auch einen GPS-Fix zu bekommen... :-(
Was ich Palm definitiv nicht verzeihe, ist die Entscheidung im Hinblick auf das Zubehör. Beim Treo 750 noch trafen zwei Welten aufeinander: Palm -Geräte hatte immer ihren eigenen, proprietären Stecker, der auch beim 750/750v verwendet wurde. Schön für die Umsteiger eines älteren Palms, aber kein größeres Problem für den Neueinsteiger. Jetzt hat Palm von seinem Standard-Stecker abgelassen, und im Vorfeld war schon von "miniUSB" zu lesen. Weit gefehlt aber: Der Stecker ist ein anderer, aber eben nicht miniUSB! Dies ist ein weiterer Punkt, den man nicht unbedingt als Vorwurf formulieren kann (im Sinne von "Samsung macht es ja auch"), aber unverständlich ist es schon. Vor allem, wenn man einkalkuliert, dass HTC als Standard-Hersteller von Windows Mobile-Geräten nun wohl gewöhnt daran ist, miniUSB-Stecker zu erkennen... :)
Vergleich zum HP iPAQ 914C Business Messenger :
Es bietet sich einfach an, diesen Vergleich zu ziehen: der HP iPAQ 914C ist einige Wochen vorher auf den Markt gekommen, und er muss sich im Hinblick auf die Innovativität und die Ausstattung ähnliche Kritik gefallen lassen wie der Treo Pro.
Beide Geräte nebeneinander gelegt (was nur virtuell geht, weil der iPAq schon wieder bei HP ist) fällt die Entscheidung nach kurzem Nachdenken nicht schwer: Der Treo ist kleiner, handlicher, und trotz der guten Verarbeitung des HP noch ein Stück wertiger. Das, was den HP vom Aussehen her ein wenig "besonders" macht (Chrom-Applikationen, die designten Tasten) holt der Treo PRo gerade durch seine Schlichtheit wieder auf. In der Summe sind die Geräte technisch aus Anwendersicht ebenbürtig, Verarbeitung und allgemeine Haptik sprechen aus meiner Sicht leicht für den Treo.
Preis:
EUR 410,95 hier
Fazit:
Der Palm Treo 750v ist ein Messaging-Device mit hoher Verarbeitungsqualität und Performance. Punkt. Wer ein solches Gerät sucht, der ist gut damit bedient, zumal es deutlich leistungsfähiger als die in diesem Bereich weit verbreiteten Blackberries.
Allerdings hat natürlich das iPhone mit seinen Einflüssen auf die Bedienung von Windows Mobile-Geräten z.B. in Form von TouchFLO 3D und anderen Oberflächen) die Erwartungshaltung der Benutzer deutlich verändert, und hier scheitert der Treo Pro. Man mag sich darüber streiten, ob dieser Anspruch überhaupt für Palm bestanden hat, als Benutzer muss man aber klar differenzieren, was man erwartet: Ein schlichtes, funktionales Gerät ohne viel Schnickschnack oder eine Multimediamaschine... und anhand dieser Differenzierung eine Entscheidung treffen.
Ich mag den Palm Treo Pro, weil er durchdacht stabil und performant ist. Mir fehlt allerdings der Reiz eines Omnia oder Touch Diamond, die Verquickung von Design, Funktionalität.