Nokia Lumia 820
Geschrieben von Andreas Erle (29.12.2012 16:30 CET)
Das klassische Schicksal des kleinen Bruders: Ist der große erfolgreich, dann muss der kleine sich strecken und recken, um überhaupt Beachtung zu finden. So oder so ähnlich kann man das Schicksal des Nokia Lumia 820 beschreiben. Schon in der Vorstellung wurde schnell klar, dass dieses viele der neuen Eigenschaften, für die das Lumia 920 gepriesen wurde, nicht haben würde: Der Bildschirm löst wie bei einem Windows Phone 7.x-Gerät „nur“ mit 800*480 Bildpunkten auf, die Kamera hat „nur“ eine normale Carl-Zeiss-Optik und nicht die ausgefeilte Optik des 920, und so war für viele Anwender das Lumia 820 schon vor Marktstart nur ein Nachfolger des Lumia 800. Mit diesem Vorurteil sollte mal allerdings schnell abschließen!
In den letzten Wochen vor diesem Test habe ich fast ausschließlich das Lumia 920 verwendet (und damit eine Auflösung von 1280*768), zwischendrin auch eine Samsung Galaxy Camera mit ähnlicher Auflösung. Meine Sorge war also verständlicherweise, dass das Display des 820 ein sichtbarer Rückschritt sein würde. Und diese Befürchtung hat sich nicht bestätigt. Das mag zum einen dadurch begründet sein, dass das Lumia „nur“ eien 4.3-Zoll Bildschirm hat (im Gegensatz zu 4.5 Zoll beim 920), zum anderen aber auch darin, dass das Display selber mit High Brightness-Modus, Polarisierungsfilter und RGB-Streifenmatrix viele der Eigenschaften des großen Bruders übernommen hat. Es ist scharf, kontrastreich, und auch in prallem Sonnenlicht hervorragend zu lesen. So richtig merkt man das Fehlen der Pixel eigentlich nur beim Surfen im Internet, wo einfach Auflösung fehlt. Man muss an Informationen heranzoomen, statt diese in der 1:1-Ansicht bereits lesen zu können... mit Adleraugen, versteht sich...
Auch die Kamera des 820 ist ordentlich, aber maximal mit der des 800 auf einem Stand, nicht mit der des 920, die ja selbst in Situationen, in denen die Augen schon kein Bild mehr sehen, immer noch abbildet. Das aber kann man dem 820 schwerlich ankreiden, denn es bewegt sich damit in guter Gesellschaft mit den meisten anderen Smartphones.
Mit 160 Gramm ist das Lumia 820 kein Leichtgewicht, es liegt aber gut in der Hand und ist im Gegensatz zum 920 auch mit kleineren Händen mit einer Hand zu bedienen. Bluetooth, NFC, der Snapdragon S4 Dual Core Prozessor, all das formt ein rundes Paket, das gut mit der Konkurrenz im eigenen Lager, aber auch bei Android oder Apple mithalten kann. Dass Nokia auch dem kleineren Modell LTE-Fähigkeit spendiert hat, das ist lobenswert, auch wenn der Ausbau der Netze in Deutschland noch zu wünschen übrig lässt.
Was allerdings immer wieder unter den Tisch fällt, sind die drei Besonderheiten, die das Lumia 820 im Vergleich zu seinem großen Bruder hat, und die sind alles andere als zu vernachlässigen.
Die wechselbaren Schalen:
Beim Lumia 920 und den meisten anderen Konkurrenzgeräten trifft man einmal die Entscheidung, ob das Gerät nun eher konservativ und Business-tauglich sein soll oder flippig-bunt. Und je nach Wahl ist es dann im Büro zu auffällig oder im Privaten zu langweilig. Warum eigentlich? Das Lumia 820 wird mit einer wählbaren Schale ausgeliefert, Schwarz, Weiß, Gelb, Rot sind bei den meisten Händlern verfügbar. Dazu gibt es im sortierten Zubehörhandel zwei Arten von Schalen in eben diesen Farben (Straßenpreis: 20,- bzw. 35 Euro). Die einen wechseln einfach nur die Farbe der Gerätes, die anderen fügen neben der neuen Farbe gleich noch die Möglichkeit des kabellosen Ladens (über die zusätzlich zu erwerbenden DT-910 bzw. DT-900/901) hinzu.
Der Wechsel der Schalen ist im Handumdrehen durchgeführt: Obere rechte Ecke nach hinten schieben und dann weiter abziehen, schon hat man die Schale in der Hand., und die neue wird einfach aufgedrückt.
Morgens im Büro: schicke schwarze Schale (jetzt weiß ich auch, wo der Begriff „in Schale schmeißen“ herkommt...:-)). Abends für die Party dann schnell die rote Schale aufgezogen und ab geht´s. Die unweigerlich aufkommende Frage „Macht man das wirklich?“ kann ich zumindest für mich selbst mit „Na, klar!“ beantworten: Je nach Laune und Anwendungen „zieht“ sich mein 820 am Tag ein bis zwei Mal um.
Die wechselbare SD-Karte:
Nokia hat gottseidank nicht den selben Fehler wie HTC mit dem 8S (das ja auch der „kleine Bruder“ des Topmodells 8X ist) gemacht und an internem Speicher gespart. Mit 1GB Hauptspeicher und 8GB internem Speicher kann man auch ohne eine externe Speicherkarte wunderbar leben, aber mit einem micro SD-Slot, der bis zu 64GB an Zusatzspeicher aufnehmen kann, ist zumindest der Medien-Abspieler unterwegs wunderbar versorgt.
Um Frust vorzubeugen (der dann in Windows Phone begründet läge, nicht im 820 selbst): Auf die Speicherkarte können nur Mediendateien wie Klingeltöne, Videos, Musikstücke und Bilder. Das System lässt es nicht zu, Apps auszulagern, und die App lassen es (noch) nicht zu, größere Speicherbedürfnisse wie beispielsweise Karten von Nokia Drive oder Navigon auf die Karte zu verschieben. Beim Mounten des Lumia 820 an einem PC werden dann statt einem Datenträger gleich zwei (einer für den internen Speicher, einen für die Speicherkarte) im Explorer verfügbar.
Nokia fügt dem Karton gleich einen kleinen Zettel hinzu, auf dem darauf hingewiesen wird, dass nicht alle Speicherkarten funktionieren. Mein Tipp: Keine ultraschnellen (High Speed, Typ 10 etc.) verwenden, sondern die ganz normalen günstigen Karten beispielsweise von Sandisk.
Der wechselbare Akku:
Sicherlich ein Zusatznutzen der wechselbaren Schalen und der Notwendigkeit, für den Zugang zum micro SD-Slot Zugang zu gewähren: Der Akku des Lumia 820 ist auswechselbar. Auch wenn die 1650 mAh im Test sogar noch ca. 30 Prozent weiter reichen als beim 920 (und damit bei mir knapp an die zwei Tage bei moderater Benutzung, Push-Verbindung zum Exchange, stündlich aktualisierende Dienste etc.) ist es ein gutes Gefühl, für Stresstage die Möglichkeit zu haben, einen zweiten, geladenen Akku dabei zu haben. Zugegeben: wenn es ihn dann schon gäbe... aber das dürfte sich schnell zum Positiven ändern.
Preis:
ca. EUR 450,- hier.
Fazit:
Das Lumia 820 ist ein wenig der Wolf im Schafspelz: die bunten Schalen lassen es auf den ersten Blick wie ein Fun-Phone erscheinen, doch verbirgt sich darunter ein leistungsfähiges und funktionsreiches Smartphone, das auch dem Intensivanwender genug Reserven bietet. Schade ist der zwar objektiv angemessene, subjektiv aber im Vergleich zum 920 zu hohe Preis von zwischen 450 und 500 Euro... 50 Euro weniger, und es wäre perfekt positioniert.