HTC Touch Pro2 Pro 2 (Rhodium)
Geschrieben von Andreas Erle (22.06.2009 00:00 CET)
Selten war ich von einem Gerät so sehr enttäuscht wie von dem HTC Touch Pro. Nach der Offenbarung des HTC Touch Diamond und seinem revolutionären Formfaktor, dem unüblichen Design und der Tatsache, dass der Touch Pro eigentlich der Touch Diamond mit Tastatur sein sollte, war der Klotz, den HTC dann schließlich auf den Markt brachte, bei weitem nicht das, was viele Anwender erwartet hatten. Spulen wir ein Jahr weiter: HTC hat mit dem Touch Diamond 2 einen veritablen Nachfolger des einen Gerätes auf den Markt gebracht, und nun steht mit dem Touch Pro2 der Nachfolger des anderen in den Startlöchern.
Was soll ich sagen? Wie so oft schafft HTC es, den Anwender zu verwirren, zu überraschen und am Ende mit einem komplett anderen Empfinden dasitzen zu lassen als er es erwartet hätte. Nach einer Woche exklusiv mit dem Touch Pro2 habe ich mein Herz verloren. Vergessen sind XPERIA X1, TyTN 2 oder andere Tastatur-Geräte: Wer eine Tastatur braucht, aber nicht auf Design verzichten will, der ist mit dem HTC Touch Pro2 bestens bedient. So, jetzt isses raus! :-D In diesem Test fokussiere ich mich auf die Anwendung und die Features, nicht auf die nominellen Leistungsdaten (die beispielsweise hier nachzulesen sind).
Von der Performance her ist der Pro2 ohne Fehl und Tadel, die Menüs reagieren schnell und ohne Verzögerungen, auch anspruchsvolle Applikationen laufen ruckelfrei etc.
Dabei wird dem Anwender der Start mit dem Gerät nicht so richtig versüsst: Sei es die globale Wirtschaftskrise, sei es eine strategische Umentscheidung bei HTC, die Zeiten, in denen man versucht hatte, bereits mit der Verpackung den Eindruck zu erwecken, dass es sich im ein edles Gerät handelt, sind definitiv vorbei. Schon beim Diamond 2 kehrte man wieder zur langweiligen schwarzen Pappverpackung mit grauer Pappschale für die Hardware zurück, und beim Pro2 ist das leider auch der Fall. Ein wenig unverständlich, denn der Pro2 spielt in einer Preisklasse, in der das Auge einfach auch mit entscheidet, und die Verpackung ist definitiv massives Understatement.
Auch der zweite Blick enttäuscht erst einmal ein wenig, wenn man die Entwicklung der diversen HTC-Modelle über die Zeit verfolgt hat: So gut wie jedes Gerät hatte Alu-Applikationen, die einen sichtbaren Effekt auf die gefühlte Wertigkeit des Gerätes hatten, der Touch Pro2 wiederum verzichtet (bis auf den kleinen Ausschnitt der Batterieabdeckung) komplett darauf und verwendet Plastik, selbst der vermeintliche Chromrahmen ist nur vermeintlich aus Chrom. Jetzt bin ich aber mit Meckern auch schon fertig...!
Nimmt man das Gerät in die Hand, dann verflüchtigen sich diese Kritikpunkte im Nu. Ganz im Gegensatz zum Vorgänger ist der Pro2 absolut ausgewogen, liegt zwar schwer, aber wertig in der Hand. Zusammengefasst: Man würde eher an einen HTC tyTN III als an einen Touch Pro2 glauben, so weit ist HTC von der Form des Vorgängers abgewichen. Und das ist (zumindest aus meiner Sicht) gut so! Durch die abgerundeten Ecken wirkt das Gerät nicht so klobig wie der Vorgänger, auch wenn es in der Realität sogar grösser ist. Allerdings hat HTC es geschafft, die Seitenverhältnisse anzupassen (der Touch Pro war gefühlt „zu dick“). Sicherlich ist es fraglich, ob der Pro2 einer Hemd- oder Hosentasche gut zu Gesicht stünde, aber das ist auch nicht sein Fokus: Ein Business-Gerät will er sein, ein Messaging-Device, quasi die eierlegende Wollmilchsau. Und zeigt er schon von außen.
Apropos zeigen: Das Display ist eines der offensichtlichsten und überzeugendsten Argumente für den Touch Pro2: Ich habe in den vergangenen Jahren viele Displays gesehen, und davon einige, die wirklich hervorragend waren. Das des Touch Pro2 allerdings verweist sie alle auf die Plätze: Die Schärfe, die Reaktionsgeschwindigkeit, die Lesbarkeit auch im Freien (die allerdings durch die Verwendung des beiliegenden Displayschutzes signifikant nachlässt), die stufenlose Helligkeitsregelung, all das macht die Benutzung des Gerätes einfach zu einem Erlebnis. Dazu trägt sicherlich auch bei, dass es randlos ist, man also jede Ecke des Displays per Finger antippen und damit bedienen kann. Im Gegensatz zu einem XPERIA zum Beispiel sind dabei keine Einschränkungen zu spüren, die Bedienung geht wirklich intuitiv und bequem.
Was HTC immer wieder schafft (und das meine ich nicht nur positiv!) ist die auf den ersten Blick unsichtbare Verbesserungen der hauseigenen Bedienoberfläche TouchFLO 3D. Wer den Touch Pro2 startet, der sieht TouchFLO 3D, wie man es seit Gerätegenerationen gewöhnt ist. Langweilig, so meint man. Und da ist man auf dem Holzweg: wie bei jedem neuen Gerät hat HTC viele kleine Änderungen eingebaut. Wie schon beim Diamond 2 sind viele Funktionalitäten deutlich weiter heruntergebrochen worden, seien es die Hinweistöne, der Kalender etc., HTC übernimmt immer mehr Systemfunktionen in der eigenen Oberfläche und damit im TF3D-Design und voll fingerbedienbar.
Dazu gehört auch, dass endlich der Heute-Bildschirm mit all seinen Reitern sowohl im Hoch- als auch im Querformat exakt identisch aussieht (und nicht mehr das vielen Anwendern verhasste Kurzmenü aufpoppt, wenn das Gerät ins Querformat geht).
Anders herum hat sich HTC auch Standard-Systemfunktionen vorgenommen und diese erweitert: Die Integration der „Wählen“-Schaltfläche direkt in eine Email beispielsweise ist etwas, was ich schon lange vermisse: Ich bekomme eine Email, auf die ich besser telefonisch reagiere. Bisher musste man dazu über den Link in der Emailadresse in den Kontakt gehen und dort die entsprechende Nummer zum Wählen aussuchen, jetzt befindet sich direkt neben dem Namen ein Hörer, mit dem die Standardnummer des Kontakte gewählt werden kann. Ist diese nicht bekannt, dann erscheint eine Registerkarte, mit der im Unternehmensverzeichnis nach den Kontaktdaten der Email-Adresse gesucht werden kann.
Wie beim Touch HD und neuerdings dem Touch Diamond 2 hat HTC auf das Steuerkreuz verzichtet und damit am unteren Ende des Gerätes massig Platz gespart. Gerade mal vier Hardwaretasten finden am unteren Bildschirmrand Platz, davon sind zwei schon die Hörertasten. Der Nachteil: Nur eine davon kann frei belegt werden (Ruf annehmen gedrückt halten), zusätzlich kann ein Menü mit verschiedenen häufig benötigten Funktionen durch langes Drücken der Auflegen-Taste aufgerufen werden. Wenig manuelle Einflussmöglichkeit also, dafür kann man natürlich das Startmenü entsprechend anpassen. Auch hier hat HTC sich entschieden, das klassische Startmenü zu deaktivieren und ein eigenes, grafischeres zu verwenden. Abschalten kann man dies auf diesem Weg.
Absolut edel allerdings ist die Beleuchtung der Tasten: grell weiss, auffällig, und doch dezent. Ich weiss, das ist ein Widerspruch, aber besser kann ich es einfach nicht ausdrücken... man muss es gesehen haben!
Was man beim HTC Kaiser/TyTN II begrüsst und beim Pro vermisst hatte, findet beim Pro2 nun wieder Verwendung: Das klappbare Display. Wer das Gerät im Querformat nutzen will (um beispielsweise im Internet zu surfen), der wird gerne nutzen, das Display auf sich zu neigen zu können und dem Pro2 das Aussehen eines Mininotebooks zu verleihen. Das Display bleibt so lesbar, während man auf der Tastatur die Adressen eingeben kann, ohne das Gerät festhalten zu müssen.
Überhaupt die Tastatur: Ich habe das subjektive Empfinden, dass HTC von Gerät zu Gerät versucht, diese noch ein wenig besser zu machen. In meiner Erfahrung mit so gut wie jedem in Europa erhältlichen Windows Mobile-Gerät mit ausschiebbarer Tastatur ist die des Pro2 zum Zeitpunkt seines Erscheinens die beste. Natürlich wie immer eine Frage der Gewöhnung und des persönlichen Tippstils, aber nach kurzer Zeit schreibe ist darauf fast so schnell wie auch einer normalen Tastatur... und das nur mit den Daumen. Tastenabstand und -grösse, Druckpunkt der Tasten, die vierte Tastenreihe mit den Zahlen (die bei vielen anderen Geräten nur als Zweitbelegung durch Drücken der „Fn“-Taste erreicht werden können und so zu einer signifikanten Verringerung der Tippgeschwindigkeit führen: Die Texteingabe wird zum Kinderspiel, und damit das Messaging als eine der Zielanwendungen des HTC Touch Pro2 deutlich komfortabler gestaltet.
All die bisher beschriebenen Faktoren führen bei vielen anderen Geräten dazu, dass man mit Bangen auf die Akku-Anzeige schaut und hofft, den Tag zu überleben, ohne in Bedrängnis zu geraten... einer der wenigen konsequent vorgetragenen Kritikpunkte an Windows Mobile. Und hier glänzt der HTC Touch Pro2 ein weiteres mal, und zwar mit einem absoluten Top-Wert: Meine Standardanwendung: ca. 30 Minuten Telefonie am Tag, intensive Nutzung als PDA (50-60 Mails empfangen, die Hälfte davon beantworten), 15-20 Minuten Surfen, all das mit einer dauerhaft beibehaltenen HSDPA-Verbindung. Die meisten Geräte schaffen einen Tag, vielleicht ein wenig mehr. Gute drei Tage (!!!) allerdings hat es bisher kein Gerät geschafft... bisher, denn der Touch Pro2 schafft genau das. Der dritte Tag kann, wenn man ein wenig mehr telefoniert, grenzwertig werden, nach zwei Tagen lag ich allerdings bisher noch nie unter 40% Akku-Kapazität, und dabei ist der Akku mit 1500 mAh gar nicht mal überdimensioniert.
Eine weitere, von außen nur bedingt sichtbare Funktionalität ist die Konferenzfunktion des Pro2. Diese werde ich in einem separaten Artikel beschreiben, kurz zusammengefasst: Der Pro2 ist mit mehreren Lautsprechern und Mirkofonen ausgestattet. Will man eine Telefonkonferenz veranstalten, dann schaltet man diese im Wählfenster durch einen kleinen Schieberegler ein, wählt die Teilnehmer aus, wählt diese einen nach dem anderen an und legt das Gerät dann aufs Display. In unglaublicher Qualität können die Teilnehmer mit einander reden, eine separate Taste auf der Rückseite des Gerätes erlaubt es, das Mikrofon bei Rückfragen stumm zu stellen. Die Kombination von Soft- und Hardware erlaubt eine echte Telefonkonferenz ohne Zusatzhardware, für den Business-Nutzer ein absoluter Mehrwert.
Natürlich kann man HTC alles Mögliche „vorwerfen“, wenn man es will. Warum hat man den Weg vom 3.5mm-Kopfhörerstecker des Touch HD wieder zurück zum kombinierten USB-Audioausgang gewählt? Warum arretiert der Stift nicht mehr magnetisch wie beim Touch Diamond und Pro? Warum nur eine 3 MPix-Kamera? Man kann, und ohne Frage wird der eine oder andere Fachkollege mit diesen Argumenten eine gute Wertung wegdiskutieren. Sachlich aber kann man dem HTC Touch Pro2 nichts vorwerfen.
Der Touch Pro2 wird sich immer auch einen Vergleich mit dem iPhone gefallen lassen müssen, gerade zu einem Zeitpunkt an dem das neue iPhone 3GS den Markt betritt und weitaus mehr Presse bekommt, als ein Windows Mobile-Gerät jemals zugestanden wurde. Meine Sicht: funktional ist Windows Mobile seit jeher signifikant überlegen aber auch vom Design her braucht sich der Pro2 nicht zu verstecken:
Keine Frage, dass er dicker ist, dafür versteckt er ja auch noch eine Tastatur in seinem Bauch, aber von den Massen her ist er immer noch akzeptabel und durch die runde Form handlich.
Preis:
aktueller Preis bei PDAMax
Fazit:
Wer eine Tastatur in seinem mobilen Gerät benötigt, der kommt am HTC Touch Pro2 im Moment nicht vorbei. Design, Funktionalität und nicht zuletzt die Akkulaufzeit schaffen den Spagat zwischen Businessgerät und Designobjekt wie bei keinem anderen Gerät.