Windows Mobile 6.5
Geschrieben von Andreas Erle (07.10.2009 00:00 CET)
Lange hat es gedauert, viele Gerüchte und vermeintliche Zwischenstände sind kommuniziert, diskutiert und wieder verworfen worden, am 6. Oktober 2009 war es soweit: Windows Mobile 6.5 ist auf den Markt gekommen und hat mit dem HTC Touch2 eine erste Inkarnation in Form eines Gerätes erfahren.
Was hat sich nun geändert? „Vieles“ sagen die einen, „kaum etwas“ die anderen. Eine echte Bewertung ist nicht wirklich einfach, sind die momentan existierenden Geräte doch Hybriden, die Windows Mobile mit der eigenen Oberfläche vermengen. Klar aber ist, dass Microsoft sich stark auf die „mobile experience“ ausgerichtet hat, ein Thema, das bei all der unstrittigen Funktionalität früherer Windows Mobile-Versionen bisher vernachlässigt wurde.
Der Blick auf die Optik:
Windows Mobile 6.5 bringt einen neuen, komplett überarbeiteten Heute-Bildschirm mit sich. Alle wichtigen Elemente sind untereinander angeordnet und können durch Rollen mit dem Finger erreicht werden. Innerhalb der einzelnen Kategorien (wie E-Mails, Kurznachrichten etc.) können dann weitere Optionen direkt am Heute-Bildschirm ausgewählt werden: Das Wechseln durch die konfigurierten E-Mail-Postfächer, das Anlegen eines neuen Termins, Dinge, die man unterwegs schnell einmal ausführen muss, ohne für lange Wege durch die Menüs Zeit zu haben.
Auch das klassische Startmenü, wie man es aus den älteren Windows Mobile-Versionen und vom PC kennt, ist Geschichte: Einzug gehalten hat das so genannte „Honeycomb“, die Anordnung der Menüelemente und Programme in Form einer Bienenwabe. Das sieht nicht nur grafisch ansprechend aus, sondern ist auf Grund der versetzten Symbole auch für große Finger treffsicher und schnell zu bedienen. Auch auf einem nicht kapazitativen Display kann schnell im Menü gerollt werden.
Die Geschwindigkeit der Darstellung, die visuellen Effekte und die durchdachte Anordnung von Elementen erzeugen ein anderes Arbeitsgefühl, ohne dabei eine billige Kopie einer bereits von anderen Plattformen oder Herstellern bekannten Benutzeroberfläche darzustellen. Niemand, der bisher die neue Oberfläche gesehen hat, hat sich ans iPhone erinnert gefühlt.
Ganz allgemein sind die Schaltflächen runder, die Darstellung ansprechender, manchmal fühlt man sich an die Generationenwechsel auf dem PC erinnert: Von XP zu Vista zu 7 sind auch leichte Anpassungen der Symboldarstellungen vorgenommen worden, und diese sind nicht extrem auffällig, aber sichtbar.
Neu hinzugekommen ist auch der Lock Screen, ein neuer Bildschirm, der das Gerät aus dem Standby nicht sofort bedienbar macht, sondern – und jetzt sag ich´s doch – iPhone-like mit einem Schieberegler „verschließt“. Dieser muss mit dem Finger nach links geschoben werden, damit der Weg ins Startmenü frei ist. Zuerst: Deutlich bedienbarer als die bisherige Version, bei der eine der Schultertasten und dann eine Schaltfläche auf dem Bildschirm getroffen werden musste.
Viel wichtiger aber: im Gegensatz zur zitierten Konkurrenz werden Zusatzinformationen angezeigt. Auch ohne das Gerät zu entsperren werden aktuelle Termine am unteren Bildschirmrand eingeblendet. Innerhalb des Schlosses, das der Schieberegler darstellt, wird die Zahl der neuen Elemente (zusammengefasst aus neuen Emails, SMS und Rufen in Abwesenheit) angezeigt zieht man das Schloss nach unten, dann werden diese neuen Elemente aufgesplittet nach SMS, Emails und Anrufen. Streicht man bei einem der Elemente den Regler nach links, dann landet man direkt in der Rufliste bzw. dem entsprechenden Posteingang.
Neuer Pocket Internet Explorer
Der Pocket Internet Explorer war auf Grund der Tatsache, dass er sich innerhalb von Generationen mobiler Betzriebssysteme nicht geändert hatte, immer ein Kernpunkt der Kritik an Windows Mobile. Nicht umsonst ist die Zahl der alternativen Browser für Windows Mobile in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen.
Microsoft hat auch hier reagiert: Nicht nur präsentiert sich der Pocket Internet Explorer in einem deutlich frischeren Gewand, er ist auch deutlich funktionaler geworden. Seien es die (vom Opera Mobile gewöhnten) Gesten auf dem Bildschirm, die ein schnelles Bewegen des Inhalts und ein Hereinzoomen in interessierende Bereiche per Doppeltippen realisieren, sind endlich umgesetzt, der Bildschirmaufbau und die Kompatibilität zu Webstandards sind deutlich erhöht etc. Schön auch: Im Menü kann umgestellt werden, ob sich der PIE als mobiles Gerät oder als „großer Browser“ bei den aufgerufenen Webseiten identifiziert. Der Vorteil: Der Benutzer kann entscheiden, ob er automatisch die mobile Version einer Webseite sehen will (so sie existiert), was gerade bei kleineren Displays sinnvoll sein kann, oder lieber die volle Leistungsfähigkeit der Seite nutzen will. Das bisher bestehende Glücksspiel, in dem die Seite dann je nach Programmierung selber entscheiden konnte, ist endgültig vorbei.
Neue Services:
Schon im Windows-Umfeld hatte Microsoft angekündigt, immer mehr an Anbindung an das Internet zu nutzen: "Cloud Computing" heisst hier in der Welt der grossen Geräte das Zauberwort. Zwei neue Applikationen, die Microsoft in Windows Mobile 6.5 integriert hat, gehen da schon in die entsprechende Richtung:
MyPhone, bereits in den vergangenen Monaten von einigen Anwendern im Betatest als separate Applikation genutzt, ist nuin fester Bestandteil des Betriebssystems. Die Applikation erlaubt vor allem das Sichern der PIM-Daten auf einen dedizierten Server im Internet. Wer keinen Exchange-Server sein Eigen nennt oder im Zugriff hat, der erhält damit die Sicherheit, auch bei einem komplett zurückgesetzten Gerät ohne PC wieder an seine Daten zu kommen.
Der Windows Marketplace for Mobile ist das Pendant zum AppStore von Apple oder dem Marketplace für Android. Allerdings hat Microsoft auch hier nicht einfach nur einem Trend entsprochen, sondern eigene Innovationen eingebracht: Die Lizensierung einer gekauften Software hängt am Konto, nicht am Gerät. Damit entfällt bei einem Gerätewechsel das leidige Hinterhermailen hinter Händler oder Entwickler, um einen neuen Freischaltcode zu bekommen. Auch die Installation ohne PC wird vereinfacht, denn die CAB-Dateien zur direkten Installation auf dem mobilen Gerät stehen direkt im Marketplace bereit.
Widgets:
Es müssen nicht immer Programme sein: Windows Mobile 6.5 führt neu die so genannten Widgets ein: Kleine Programme, die auf Internet-Technologien (HTML, JavaScript unter Ausnutzung der IE 6 Mobile Engine) beruhen und deutlich einfacher zu programmieren sind als "normale" mobile Anwendungen. Über die Widgets lassen sich sehr einfach Webservices auf das mobile Gerät bringen, Beispiele sind Börsenkurse, Wettervorhersagen etc.
Performance:
Abgesehen von den grafischen (und damit sichtbaren) Veränderungen hat sich unter der Haube von Windows Mobile 6.5 so einiges getan. Codeoptimierungen, effizientere Ausnutzung von Technologien und Optimierunspotentialen haben dazu geführt, dass Windows Mobile 6.5 spürbar performanter arbeitet. Das ist immer relativ zum Gerät, und kann durch die unvermeidlichen Erweiterungen, die Hersteller und Netzbetreiber an den Geräten vornehmen, wieder relativiert werden, aber in der "reinen" Form ist Windows Mobile 6.5 das momentan schnellste mobile Betriebssystem.
Windows Live:
Auch die Live Suite für Windows Mobile hat ein Update erfahren, auch wenn dies nicht in direktem Zusammenhang mit Windows Möble 6.5 steht. Direkt über das mobile Gerät kann unter http://wl.windowsmobile.com kann sie (nach Klicken auf "Other Languages" und die Auswahl von "German(pro)") direkt auf das Gerät heruntergeladen werden.
Neu dabei: Die Integration von Bing als Suchmaschine, der Zugriff auf den Neuigkeiten-Feed der Kontakte, Zugriff auf Fotos, die Möglichkeit, Einladungen von Kontakten zu akzeptieren und vieles mehr.
TouchFLO3D:
Auch TouchFLO 3D, die Benutzeroberfläche der HTC-Geräte, hat ein weiteres visuelles Update erfahren:
Preis:
Nur als Update der Hersteller/Netzbetreiber oder in neuen Geräten.
Fazit:
Microsoft hat den Spagat geschafft, dem Trend der fingerbedienbaren Oberfläche zu folgen und gleichzeitig kein Plagiat zu riskieren und den Look eines iPhones oder eines Mobile Shell zu kopieren. Das System ist deutlich angenehmer zu bedienen, ohne dabei Funktionalität einzubüßen, und damit bedeutet es einen klaren Gewinn!